Jetzt mal ehrlich: Es gibt Menschen, von denen ich mir ungern etwas sagen lasse. Entweder weil sie mich oder andere schlecht behandelt haben. Oder weil ihr Verhalten und ihre Worte regelmäßig eklatant auseinanderfallen. Oder einfach deshalb, weil sie ansonsten Ansichten vertreten, die ich nicht teile oder denen ich meine, heftig widersprechen zu sollen.
Ich vermute übrigens stark, dass die allermeisten von euch Lesern oder Hörern solche Menschen ebenfalls kennen. Und dass sehr viele Zeitgenossen sich von so wahrgenommenen Menschen gar nichts mehr sagen lassen, sondern sie meiden, so gut es geht. Entscheidend ist dann nicht mehr, was einer sagt, sondern wer es sagt.
Das ist verständlich. Und ich gestehe, dass auch ich dieser Versuchung nicht immer gleich gut widerstehen kann.
Aber eine solche Verweigerung ist auch gefährlich. Und zwar aus mindestens zwei Gründen:
Einmal kann es passieren, dass ein solcher Mensch mir etwas Wichtiges, Richtiges oder Wegweisendes zu sagen hat. Über eine drohende Gefahr oder eine bevorstehende Chance, über eine lebensrelevante Erkenntnis oder – was besonders schmerzhaft ist – über mich.
Und zweitens ergibt sich bei solcher Verweigerung eine negative Abhängigkeit. Wenn der andere schlau ist, wird er fortan immer wieder Dinge sagen, die wahr sind, und Auffassungen vertreten, die ich teile, denen ich mich nun aber nicht mehr anschließen mag. Nicht etwa, weil sie nicht wahr wären. Sondern nur weil ich mit ihm nichts mehr zu tun haben will und bereit bin, mich dafür zu verbiegen, wie es nur irgendwie geht.
Wenn ich ein parteilich organisierter Verfassungsfeind wäre, würde ich es ungefähr so machen.
Ein ähnliches Phänomen gibt es auch im Glauben: Unglaubwürdige Menschen sagen uns glaubwürdige Dinge. Und ist das nicht in den allermeisten Fällen so? Würde ich alles in meinem Leben verwirklichen, worüber ich predige, wäre ich ein heiligmäßiger Mann. Würde ich nur noch das predigen, was ich im Leben auch verwirkliche, müsste ich fast immer die Klappe halten. Nähme ich nur ganz gute Menschen ganz ernst, würde ich dumm sterben. Oder jung. Denn auch der Rat eines Durchschnittsmenschen kann Leben retten.
Jesus macht diese Unterscheidung im Evangelium überdeutlich: „Auf dem Stuhl des Mose sitzen die Schriftgelehrten und die Pharisäer.“ Sie haben gewissermaßen den „Lehrstuhl“ für die Offenbarung Gottes inne. In der kennen sie sich gut aus. Und zwar auch dort noch, wo ihre Lebensführung davon nichts zu wissen scheint.
„Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen“, fährt Jesus fort, „aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht.“ Es gibt innerhalb und außerhalb der Kirche eine Aversion gegen Worte, die nicht von Taten bewahrheitet werden. Ich teile diese Aversion.
Aber das ändert nichts daran, dass die Worte dennoch wahr und wichtig sein können – selbst wenn der, der sie sagt, zu ihrer Verwirklichung entweder nicht willens oder gerade nicht in der Lage ist.
Vielleicht sollten sich die Christen wieder daran erinnern lassen, dass es ja gar nicht ihre eigenen Worte sind, die sie weitersagen und – möglichst „authentisch“ – im Leben verwirklichen sollen. Es ist vielmehr das Wort Gottes, das sie selbst erzählt bekommen und angenommen haben. Ein Wort, dass auch in den Worten fehlbarer, sündiger, manchmal auch heuchlerischer Menschen weitergesagt wird und das dennoch von denen, die es Gott glauben, als Gottes Wort angenommen wird.
Mich berührt die Demut und die Geduld Gottes. Und dass er mir von sich auch diejenigen erzählen lässt, mit denen ich mich schwertue.
Natürlich höre ich Gutes lieber von guten und Heiliges lieber von heiligmäßigen Menschen. Aber je mehr Freude ich an dem habe, was ich von Gott höre, um so weniger ärgert es mich, dass ich dafür manchmal auch auf Heuchler hören soll.
Fra' Georg Lengerke