In der neuesten Folge von Wie jetzt? treffen die Wiener Vizebürgermeisterin und der Schweizer Journalist und Demokratie Korrespondent aufeinander. Wie stehen sie zu mehr Beteiligung? Welche Themen werden die Zukunft der Demokratie prägen? Ein Gespräch aus vielen Perspektiven: Schweiz, Österreich, Griechenland, direkte und repräsentative Demokratie und mehr.

Die Krux mit der Beteiligung

Ein Thema, das sich durch die Gesprächskonstellation ergibt, ist die Frage nach Beteiligung. Wie viel, wann und wen soll man zu welchen Themen befragen? Maria Vassilakou bremst die Schweizer Begeisterung. Sie nennt als Beispiel eine simple Geschwindigkeitsbegrenzung. „Wenn ich auf einer Straße eine 30er Zone machen will, wen frage ich dann? Die Anrainer? Die werden zustimmen, weil es dann ruhiger ist. Das restliche Wien? Die werden dagegen sein, weil sie schnell durchfahren wollen“. Die Balance zu halten, in einem dicht besiedelten Gebiet, sei sehr schwierig. Die, die Konsequenzen einer Entscheidung am stärksten zu spüren bekommen, können nicht immer die einzigen sein, die man befragt. Trotzdem befürwortet Vassilakou mehr Verbindlichkeit bei Beteiligung. Bruno Kaufmann stimmt dem zu: „Demokratie ist nicht das was wir uns wünschen, Demokratie ist das was ist. Ein Spiegel der Gesellschaft“. Auch das Wann ist heikel, Vassilakou nennt die Stockholmer Citymaut. Diese wurde zuerst eingeführt und ein Jahr später eine Befragung durchgeführt, die positiv angenommen wurde. „Hätte man das vor der Einführung gefragt, wären wahrscheinlich mehr Leute dagegen gewesen“.

Politik als Handwerk im 21. Jahrhundert

Tesselaar folgert daraus, dass Politiker*innen in diesem Spannungsfeld es nie allen recht machen können. Kann es überhaupt möglich sein, Politik zur Zufriedenheit aller zu betreiben? Vassilakou sieht in den letzten Jahrzehnten eine starke Veränderung. Die Vater- und Mutterfiguren des 20. Jahrhunderts funktionieren nicht mehr. „Politik ist ein unglaublich spannendes Feld. Zu allen Zeitpunkten erfüllen wir manche Anforderungen mehr und manche weniger, aber Wunderwuzzis existieren heute nur mit perfekt geölten PR-Maschinerien“. Auch Kaufmann sieht ein Problem in den paternalistischen Strukturen. „In Frankreich muss man nach wie vor die richtigen Universitäten besuchen, um Politiker zu werden“.

Die Entwicklung der Demokratie zur Demokratur?

Trotz dieser Strukturen, sagt Kaufmann, ist die Welt noch nie so demokratisch wie heute. „Je mehr Beteiligung, desto demokratischer!“. Gleichzeitig steige auch die Sehnsucht nach einem starken Mann in vielen Ländern wieder. Da sei es die Pflicht eines jeden Bürgers und Bürgerin sich zu engagieren und aufzustehen. Denn eine repräsentative Regierung mache noch keine repräsentative Demokratie. Vassilakou sieht mit der Sehnsucht nach dem starken Mann auch eine Gefahr der Demokratur. Das sei eine Demokratie ohne Solidarität, ohne Minderheitenrechte und ohne Kompromisse. „Der Wert des Kompromisses ist die Essenz der Demokratie“, sagt sie.

Wie jetzt? Biografien und Links

Maria Vassilakou ist österreichische Politikerin griechischer Herkunft und Mitglied der Grünen. Seit 2010 ist sie Vizebürgermeisterin Wiens sowie Stadträtin für Verkehr, Beteiligung, Klimaschutz, Energieplanung und Stadtentwicklung. Zu ihren bekanntesten Projekten gehören die neue Mariahilferstraße und das 365 € Öffiticket in Wien.

Bruno Kaufmann ist Journalist und Demokratiekorrespondert beim Schweizer Rundfunk. Er ist Vorsitzender des „Initiative and Referendum Institute Europe" und war als Mitbegründer und Vizepräsident des „Global Forum on Modern Direct Democracy” aktiv. Sie finden ihn auf Twitter.

Die Wiener Vizebürgermeisterin und der SRF-Korrespondent über Beteiligung, Stadtentwicklung und die Zukunft der Demokratie

Die Onlinepräsenzen der Gäste:


Bruno Kaufmann auf Twitter.

Twitter Mentions