Der Präsident oder der Markt?

„It hardly makes any difference who will be the next president. The world is governed by market forces”. Tesselaar wirft ein Zitat des ehemaligen US-Notenbank Vorsitzenden Alan Greenspan in den Raum mit der Frage nach Zustimmung oder Ablehnung. Brix nennt Greenspan einen Paradekapitalisten, der glaubt, dass Marktwirtschaft alles regieren kann. „Wo er sicher Recht hat, ist die Tatsache, dass die Finanzwirtschaft einen stärkeren Einfluss genommen hat auf die Art, wie wir Politik machen. Das trägt nicht zum Verständnis der Bürger bei, wenn wir solche intransparenten Strukturen bisher zu wenig verhindern können“. Er betont, dass es um eine Gefühls- und um eine Inhaltsfrage geht.

Puntscher-Riekmann sagt, dass die Autonomie der Politik von Märkten spätestens seit dem 18. Jahrhundert eine Illusion sei. „Die Entstehung des modernen Kapitalismus und die Demokratieentwicklung gehen bis zu einem gewissen Grad Hand in Hand. Der Inhalt des politischen ist über weite Strecken Gestaltung von Gesellschaft und damit Gestaltung von Märkten“. Wie weit das gelungen ist, muss empirisch überprüft werden, aber sie kritisiert Greenspan, dass das keine neue Erkenntnis sei.

Hin und her

„Die liberale Demokratie konnte ihr Versprechen nach Gleichheit bisher nicht einhalten. In den letzten Jahrzehnten kam sogar die Kritik auf, dass sie verstärkt zur Ungleichheit beigetragen hat“, sagt Brix. Die Sehnsucht nach Laissez-faire der Märkte sei auch dadurch zu erklären, entgegnet Puntscher-Riekmann. Welche Richtung schlussendlich besser für die Bürger ist, weiß keiner, mein Brix. „Weniger Regulierungen oder stärkerer Staatseinfluss sind zwei Rezepte dafür, aber wir versuchen beides immer ein Stückchen einzuführen“. Auch bei rechten Regierungen, wie etwa die letzte Ausführung mit ÖVP-FPÖ bleibe ein Gefühl, dass eine Gleichheit und Umverteilung zugelassen werden muss. Die Alternative sei eine Polarisierung, wie wir sie schon in einigen europäischen Staaten erleben, meint er.

„Bereits Aristoteles hat erkannt, dass große sozioökonomische Spaltungen eine Demokratie erschweren“, sagt Puntscher-Riekmann: „Und er war kein Fan von ihr. Was wir seit den 60er Jahren haben, ist nur ein ‚embedded liberalism‘, das heißt die Zähmung des Marktes zugunsten der Herstellung von relativer Gleichheit“.

Glaube und Hoffnung

Wie gelingt es, Bürger und deren Glauben an Demokratie und Politik nicht zu verlieren? Das berühmte sozialdemokratische Beispiel vom Würstlstand, der mehr Steuern zahlt als ein Konzern wie Amazon: „Es gibt keine annähernde Idee für Normalbürger, wie sich jemand durchsetzen oder politisch gestalten kann?“, fragt Tesselaar. „Der Einfluss der Bürger mit steuern durch Steuern ist zu schwach geworden. Direkte Mitsprache auf 5 % meiner Steuern könnte eine Entscheidung dafür sein“, meint Brix.

„Der Verlust des Glaubens in die Repräsentanten ist der Kern des Problems“. Sie sieht im Schweizer Modell eine Ergänzung. „Das ist lange gelernt und hat niedrige Wahlbeteiligungen, aber es gilt am Ende“, hält Puntscher-Riekm

Der Einfluss der Märkte, die Versprechen der liberalen Demokratie und Hoffnung auf gute Politik

Sonja Puntscher-Riekmann, *1954, ist österreichische Politikwissenschaftlerin und Politikerin. Sie war für die Grünen ab 1994 im Nationalrat und ab 2003 Vizerektorin der Universität Salzburg. Sie ist Vizepräsidentin des Europäischen Forum Alpbachs.


Emil Brix, *1956, ist österreichischer Diplomat, Kulturpolitiker und Historiker. Er war Botschafter in Russland und dem UK und leitet heute die diplomatische Akademie.