Roland Gruber hilft mit seinem Architekturbüro nonconform, einen Ort vor dem Aussterben zu bewahren oder einen Versuch der Wiederbelebung einzuleiten. Ein Gespräch über kritische Punkte im Ortssterben, warum es  Kümmerer braucht und lässige Zukunftsreisen.

Nehmen wir an, eine kleine Gemeinde kämpft mit Leerständen und schrumpfenden Bevölkerungszahlen. Was sind die ersten Schritte, die man entgegensetzen kann? „Als allererstes stelle ich Fragen: Wer ist Bürgermeister? Um welchen Ort handelt es sich? Welche Geschichte hat er? Warum stirbt er aus?“ Fragen die wehtun, gehören genauso dazu. „Welche Punkte im Ort tun weh? Aus einem Leerstand kann schnell ein Flächenbrand werden“, sagt Gruber. Viele Bürgermeister*innen würden erst beginnen, sich an ihn zu wenden, wenn die kritische Masse an Herausforderungen (zu) groß wird. Viel interessanter und spannender sei es, wenn die Lage zuvor entschärft werden kann: „Wir müssen uns jetzt kümmern, weil sonst wird es passieren“.

Ein Faktor ist auch die Größe: „Je kleiner die Orte sind, desto mehr menschelt es, und desto eher hängt es von den Personen ab, die dahinterstehen“. Es braucht konkret zwei, drei Leute, die ähnlich denken und auch mit anpacken wollen. Nach all diesen Fragen entsteht ein Bild, das eine mögliche zweite Phase einläutet. „So könnte ein Weg aussehen. Manchmal muss man auch sagen 'Sorry, aber das wird nichts'. Jeder Meter wäre ein verlorener Weg, weil es nicht angenommen wird, oder der Punch fehlt. Solche Momente gibt es oft genug.“.

Eine Reise in die Zukunft

Ist der Wille da und noch nicht alles zu spät, geht es um Dynamiken: „Für die Arbeit mit Kommunen ist das ein wichtiges Thema: Man muss die Akteurskonstellation verstehen, mit der man es zu tun hat, erst dann kann es weitergehen“. Das ist eine Reise in die Zukunft, auf die man sich einlassen muss. Ein typisches Beispiel sei ein kleiner Ort mit fünf bis sieben Leerständen, Nahversorger die am Ortsrand sind, eine Straße die mehr umfährt als durch das Zentrum zu gehen, eine „gewisse trostlose Atmosphäre“.

Dann hängt es vom Commitment und dem Bekenntnis aller Akteure ab, umfassend und mutig nachzudenken. „Wie gestalten wir diesen Ort - der nicht im Einzug eines Ballungszentrums liegt - in den nächsten 10 Jahren?“ Das braucht neue Ideen und vor allem zu Beginn einen Wow-Effekt. „Man braucht diese fünf Leute, die es ziehen, aber du brauchst mehr. Du musst es in die Breite bringen“. Beteiligung darf und muss auch Spaß machen, meint Gruber. „Das soll etwas Festival-Ähnliches sein. Offen, lässig und nicht retro“.  Nach diesem ersten großen, gemeinsamen Prozess, entsteht ein Ziel und ein Wunschbild, das jetzt mit harter Arbeit umgesetzt wird.

Umsetzen und Kümmern

Dieses Wunschbild besteht aus 50 bis 100 Dingen, die man umsetzen sollte in den nächsten Jahren. Einer der wesentlichsten Erfolgsfaktoren, ist eine Person, die sich dem annimmt.  „Wir nennen diese Menschen Kümmerer. Sie haben oft eine große Karriere hinter sich, haben internationale Erfahrungen sammeln können, sind Multitalente und kehren nach 20 bis 25 Jahren zurück in ihren Ort“. Sie benötigen gute Organisation, Kommunikation, Durchsetzungsfähigkeit und Fingerspitzengefühl. Ihre Arbeit ist vielfältig und hart: Bauliche Aspekte managen, neue Treffpunkte erzeugen, Orte aufsperren oder neue Formate erfinden.

„Man kann nicht davon ausgehen, wenn es ein Zukunftsbild gibt, dass das von selbst kommt. Wenn wir das in Papier festhalten, brauche ich wirklich konkrete Handlungsanweisungen und Vornamen und Nachnamen, die dahinterstehen und das machen“. Hören Sie mehr darüber und wie das am Beispiel Trofaiach in der Steiermark funktioniert im Podcast.

Kritische Punkte im Ortssterben, warum es "Kümmerer" und lässige Zukunftsreisen braucht.

Wer jetzt? Bio und Links


Roland Gruber ist studierter Architekt und Kulturmanager. Er ist Mitbegründer und Leiter von nonconform. Das neueste Projekt heißt nonconform live, und Sie finden ihn auf Twitter.


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