Eva Maltschnig ist Vorsitzende der vermutlich kritischsten SPÖ-Fraktion, der Sektion 8. Wie balanciert sie Zustimmung und Kritik? Warum arbeitet sie trotz des starken Gegenwinds aus der eigenen Partei an einer Verbesserung der SPÖ? Im Gespräch mit Philipp Weritz über Leidensfähigkeit, innerparteiliches Feilschen und wie die Coups der Sektion 8 entstanden.

NGO in der Partei

„Es bringt nichts, wenn alle kritischen Leute sich aus der SPÖ entfernen. Man muss sich wo sammeln“, sagt Maltschnig. Es geht um die Möglichkeit, Frust und manchmal auch Wut zu bündeln und konstruktiv zu nutzen. Das war der Gründergedanken im Jahr 2007, den auch der ehemalige Vorsitzende Niki Kowall hatte: Mehr Mitbestimmung an Strukturen und Inhalten durch die Basis. Ihre Arbeit beschreibt Maltschnig als „sozialdemokratische NGO“: Ein klassischer Teil der Partei als Sektion, im Denken und Handeln aber eine NGO.

Die SPÖ ist nach wie vor eine der wenigen sozialdemokratischen Parteien, die ihre Parteivorsitzenden nicht direkt wählt, sondern über einen Parteitag. „Das muss nicht so sein. Wenn Parteivorsitzende in Urwahlen durch die Mitglieder gewählt werden, ist klar, wie viel Rückhalt eine Person wirklich hat“, meint Maltschnig. Ein Grund, warum Personaldebatten in der SPÖ nach Wahlverlusten immer nach dem gleichen Muster ablaufen. „Beim Inhalt bin ich immer wieder erstaunt, wie viel sich da gestalten lässt. Aber an den Strukturen beißen wir uns die Zähne aus“.

Freundschaft! Mit Widerstand

Wie können es sich die Mitglieder der Sektion Acht leisten, immer wieder gegen die Parteilinie zu stimmen? Oder sogar aktiv gegen die Parteispitze zu arbeiten? Ein Coup gelang vor ein paar Jahren mit dem Verbot des kleinen Glücksspiels. „Wir können uns das leisten, weil wir alle normale Jobs haben. Wir verdienen unser Geld nicht mit Mandaten und bewerben uns auch gar nicht dafür, denn damit starten die Abhängigkeiten“. Einmal die Woche trifft man sich und nach dem „gemeinsamen Schimpfen“ werde inhaltlich diskutiert. Ehrenamtliches Arbeiten befreie von Packeleien und für die eigenen Kampagnen findet sich immer Geld, sagt sie. „Schwieriger zu finden sind eher die Ideen“.

Warum widmet sich Eva Maltschnig sich trotz dem starken Gegenwind, trotz dem Widerstand der Parteispitze und Kollegen immer noch dem Projekt SPÖ reformieren? „Jeder braucht ein Hobby“. Trocken formuliert, merkt man Maltschnig die zutiefst überzeugte Sozialdemokratin an. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der Kritik, die sie mal lauter, mal leiser übt: „Ich glaube nicht, dass die SPÖ für alle das Richtige ist. Da braucht man eine gewisse Leidensfähigkeit“.

Mehr Größenwahn wagen

Was würde sie anders machen, wenn sie heute von Null starten würde? „Ein bisschen mehr Größenwahn. Wir bereiten uns immer sehr gut vor, weil wir uns manchmal auch fürchten, vor dem was als Antwort kommen könnte“. Die Erfahrung habe aber gezeigt, dass die Furcht ein wichtiger Indikator ist: „Vor den Projekten wo ich mich am meisten gefürchtet habe, meistens die lustigsten und im Nachhinein auch die wichtigsten sind“. Das reicht von einer Fake-Kampagne für eine echt demokratische Vorsitzwahl bis zu „Nein heißt Nein“ Aktion zur Reform des Sexualstrafrechts.

Auch der Gedanke, als SPÖ-Thinktank die 130 Jahre alte Partei von innen zu reformieren, kann in die Kategorie Größenwahn gesteckt werden. Woher der Glaube daran? Bei der Gründung 2007 habe es geheißen „in zehn Jahren wissen wir, ob es möglich ist. Jetzt weiß ich immer noch nicht ob das möglich ist“, sagt Maltschnig. „Manchmal habe ich den Verdacht, dass es uns gelingt, mit der SPÖ was zu bewegen. Manchmal sieht es wieder irrsinnig trist aus“.

Die Sektion 8 gilt als Stachel im Fleisch der SPÖ. Die Vorsitzende über Leidensfähigkeit, innerparteiliches Feilschen und Clous.

Eva Maltschnig im Gespräch über Stachel im Parteifleisch der SPÖ, die Balance zwischen Zustimmung und Kritik und wo sie gerne mehr Größenwahn gewagt hätte.


Eva Maltschnig, *1987, hat Sozioökonomie studiert und ist Vorsitzende der Sektion 8 und Autorin. Sie finden Sie auf Twitter und ihrem Blog. Ihr Buch "Warum Demokratie Parteien braucht" ist im Czernin Verlag erschienen.

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