Wer in der Zeitung auf den Seiten gelandet ist, die voller riesiger, blockartiger Texte sind, in denen der Fremdwortgehalt dramatische Höhen erreicht, weiß, dass er oder sie im Feuilleton gelandet ist. Aber was ist dieses mythische Feuilleton überhaupt? Ist es in der Krise, und wenn ja warum? Und ist es das zu Recht? Zusammen mit Ariane Sophie und Christina Dongowski diskutiert Stefan Sasse, warum sie dem Feuilleton sehr kritisch gegenüberstehen. Passend zum Thema ist das auch unsere längste je aufgenommene Folge. 

Links zu den Themen:


Christinas Text "Erinnerungen einer Feuilleton-Leserin"
Text: "Feuilletonistisches Theatergefecht"
Christian Stöckers Text: "Lesen Sie Science-Fiction!
Stefans Text: "Die gähnende Langeweile der Pflichtlektüren"
FAZ: "Volkes Stimmen", und Stefans Kommentar (Punkt 4)
Willkürliches Beispiel für Welt-Feuilleton gegen Cancel-Culture, Aktivismus und Co
Tweet: Klage von Christina über die "deutsche Seele" angesichts internationaler Konflikte

Tweet: "Putin sagt, Russland wird gecancelt"
Tweet: "Candice Owens offen antisemitisch"
Video: "Diskussion zum Abitur"

Wir anderenorts:


Stefan: auf Twitter, Deliberation Daily

Ariane: auf Twitter

Christina: auf Twitter, bei 54books

Unsere Shownotes:
Feuilleton-Debatten – waren die schon immer so scheiße?:
Feuilleton ist massenmediales Format, deswegen schon immer hoher entertainment value-druck. Sich zu prügeln wie die Kesselflicker war schon immer ein gutes Format genau dafür. Was sich möglicherweise geändert hat, ist die Selbst-Sakralisierung der Presse als Vierter Gewalt in der Demokratie. Im Feuilleton wird das ja noch mal durch die deutsche Verkitschung von Kultur und Bildung gesteigert. Dadurch entsteht eine ziemlich große Kluft von Anspruch und Realität, vor allem wenn man von außen, als Konsumentin draufguckt. Sowas hat immer massives Delegitimierungspotenzial, was auf eine andere wichtige Dynamik im Feuilleton trifft:


Relevanz- und Bedeutungsverlust in der digitalisierten Öffentlichkeit und Kulturproduktion und -konsum

(Klassische) bürgerliche Kultur verliert massiv an kulturellem und sozialem Kapital, das wirkt sich direkt auf Feuilleton aus, weil man als Kulturkapitalbank und -vermittler unwichtiger wird. Und man verliert auch noch die Gatekeeping-Funktion, weil Internet-Zugänge extrem erleichtern und Zugangsschwellen senken. Quasi: Alle machen jetzt zwar ständig selbst Kultur und konsumieren sie überall, aber genau dadurch haut es auch den Nimbus weg. Dazu kommt die Zersplitterung in ganz viele Spezial-Szenen, Nischen, Nerd- und Fan-Universen.


Debatten werden schriller, weil sie im Grunde gar nicht mehr über einen einigermaßen eingrenzbaren Gegenstand geführt werden, sondern im Prinzip Kämpfe um Öffentlichkeit an sich sind. Und auch darüber, ob die Fläche, die Feuilleton in Medien eingeräumt wird, nicht noch weiter zusammengestrichen wird. 


Das Dongowski’sche Theorem:

In einer Gesellschaft, in der die Zugänge zu Kreativität und Informationsproduktion demokratisiert worden sind, werden klassische Medien- und Kulturformate und ihre Gatekeeper reaktionär.


→ auch eine Reaktion auf die Stumpfheit des Traditionsfeuilletons: Abwandern oder aufbauen von neuen Formaten für neue, andere Feuilleton-Inhalte: Newsletter, Blogs, Podcasts (bei Legacy Media sehr ausgeprägtes Phänomen).


Schirrmacherisierung des Feuilletons: Kommentieren gesellschaftlicher und politischer Ereignisse, ungetrübt von Expertise → im Prinzip ein Vorgriff auf das sozialmediale Internet mit Zugang für “alle”, wodurch alle sprechfähig werden. 


Be- und Verschweigen von wirtschaftlichen Hintergründen und Interessenkonflikten, Filz und Korruption: Ökonomie – that which can’t be named in Kultur und Feuilleton.

~

(Musik: Intro aus Accou - Sarabande BWV 1002 (Partita No.1 for violin solo in B-minor), Outro aus Accou - Bourree (I.S. Bach BWV 1002, Violin Partita No 1 in B minor))

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