Als Abgeordneter eines deutschen Parlamentes unternahm ein Freund von mir eine Auslandsreise in einer Gruppe von Parlamentariern verschiedener Parteien. Normalerweise, sagt mein Bekannter, herrscht bei solchen Reisen abseits der medialen Öffentlichkeit ein gutes kollegiales Einvernehmen über Parteigrenzen hinweg.


Hier aber waren zwei dabei, die so taten, als sei der jeweils andere nicht da. Sie sahen sich nicht an, sprachen nicht miteinander und gaben sich nicht die Hand. Nicht, weil einer dem anderen etwas getan hätte, sondern weil sie verschiedenen Parteien angehörten und einer mit dem anderen nichts zu tun haben wollte.


Der Freund ist politisch nicht unerfahren. Aber solche Feindseligkeit, sagt er, sei ihm neu. Und zwar nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kirche.


Im Evangelium erzählt Jesus heute ein Gleichnis vom Reich Gottes, das er mit einer antiken Königshochzeit vergleicht: Ein König lädt zur Hochzeit seines Sohnes ein. Alles ist bereit. Doch die mehrmals Eingeladenen sagen aus lächerlichen Gründen ab und misshandeln die Boten. Der Kreis der Eingeladenen weitet sich aus. Die Boten, sagt Jesus: „holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen.“


Jesus spricht hier von der Kirche, vom Leben in Gemeinschaft mit Gott, das auf Erden beginnt. Zu ihr gehören „Böse und Gute“. Das muss mir klar sein, wenn ich dabei sein will. Ich finde mich nicht nur unter Freunden oder unter guten Menschen wieder, weder in der „Allianz der Anständigen“ oder bei der „Achse des Guten“. Ich finde mich wieder unter „Bösen und Guten“, die von einem gemeinsamen Gastgeber gerufen wurden und später gesandt werden.


Das scheint mir eines der großen Leiden in der Kirche heute zu sein: Dass wir die nicht ertragen, die wir für böse halten oder die wirklich „Gutes unterlassen und Böses getan haben“. Wir ertragen sie nicht, obwohl wir in jeder Messe bekennen, dass wir auch zu ihnen gehören.


Es gibt ein schönes Wort von Gregor dem Großen (+604 nach Chr.) über die Einladung an Böse und Gute. Er schreibt: Jesus „sagt das, weil in dieser Kirche weder die Schlechten ohne die Guten, noch die Guten ohne die Schlechten sein können. Und wer sich weigert, die Schlechten zu ertragen, der kann selbst nicht gut sein.“


Es geht also wieder einmal nicht um die Anderen, sondern um mich. Ich soll „die Schlechten ertragen“, wenn ich gut sein – oder besser: gut werden will.


Das ist mit dem Hochzeitsgewand gemeint. Einer der Gäste hat keines an, weiß sich nicht zu rechtfertigen und fliegt raus.


Das Anziehen eines Kleides ist im Alten Testament ein Bild für den Menschen, der von Gott geschmückt wird für die Gemeinschaft mit ihm. Im Neuen Testament ist es ein Ausdruck für die Haltung Gottes zu uns, die unsere Haltung zueinander prägen soll: „Bekleidet euch also, als Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld!“ schreibt Paulus der Gemeinde in Kolossä (Kol 3,12). Mit dem Erbarmen und der Güte, die Gott für Euch hat und die Ihr für die anderen haben sollt.


An diesem Wochenende werden neue Mitglieder in die Gemeinschaft junger Malteser aufgenommen. Auch wenn es bei uns kein Ordensgewand gibt, ist das eine schöne Gelegenheit, dass wir uns zusammen mit ihnen „geistlich umziehen“. Dass wir die alten Klamotten des Ressentiments und der Parteilichkeit ablegen und das Hochzeitsgewand von Gottes „Erbarmen, Güte, Demut, Milde und Geduld“ anziehen. Erstens, weil wir sie nötig haben. Zweitens, weil wir sie füreinander brauchen, wenn wir uns nicht entzweien lassen wollen.


So schafft Gott aus „Bösen und Guten“ eine Gemeinschaft von Menschen, die in aller Verschiedenheit und allem Ringen um den rechten Weg einander und den Fremden im Tiefsten gut sind.


Denn sie haben miteinander erfahren, dass Gott ihnen gut ist. Und zwar um jeden Preis.


Fra' Georg Lengerke