Krisenzeiten zeigen uns, wer und wie wir wirklich sind oder sein können. In unserer Haltung, in unserem Verhalten und in unseren Verhältnissen. Im Mikrokosmos unserer Lebensumstände. Und im Makrokosmos der gesellschaftlichen und politischen Bedingungen unserer Zeit.


Am Palmsonntag beginnt die Karwoche. Die erinnert uns an die finale Krise der letzten Tage des Lebens Jesu. Die Texte vom Palmsonntag geben uns einen Überblick – beginnend mit dem umjubelten Einzug Jesu in Jerusalem bis zu seinem Tod am Kreuz als von den Menschen Verfluchter.


Ich denke in dieser Zeit viel über Freundschaft nach. Und über Freundschaft in der Krise. Auch von ihr erzählen die Berichte der letzten Tage Jesu.


Da ist zunächst die Masse, die Jesus beim Einzug nach Jerusalem zujubelt. Echte Freude über den Messias mischt sich mit einer rauschhaften Verblendung durch falsche Erwartungen. Und verführt und mitgerissen im Taumel religiöser und politischer Stimmungen brüllt dieselbe Masse wenige Tage später: „Weg mit ihm! Ans Kreuz mit ihm!“


Da ist der eine Jünger, der die Polizei zu Jesus führt. Vielleicht im idealistischen Glauben, der wahre Messias werde sich am Scheitelpunkt der Krise siegreich offenbaren. Vielleicht aus bitterer Enttäuschung über die ausbleibende Revolution. Jesus spricht ihn als den an, zu dem er erwählt war: „Freund, dazu bist du gekommen?“ (Mt 26,20)


Da sind die Politiker Pontius Pilatus und König Herodes, die einander misstrauen und verachten. Nun eint sie aufs Schönste die Abneigung gegen den Einen, in dem Gott als Mensch vor ihnen steht. Sie werden Vertraute im Bösen. „An diesem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde.“


Und schließlich ist da nochmal Pilatus, der sich windet, bis er dem Hass der Gebildeten und der Wut des aufgepeitschten Mob nachgibt. Aus Angst, die korrumpierende Gunst der herrschenden Macht und Meinung zu verlieren; aus Angst vor dem lebensbedrohlichen Verdacht: „Wenn du diesen freilässt, bist du kein Freund des Kaisers!“ (Joh 19,12)


Auch hier gilt: Das Evangelium handelt nicht zuerst von den Anderen, sondern von uns. Gott spricht nicht bloß zu den Anderen, sondern zuerst zu mir.


Zu wem gehöre ich? Ich bin mir meiner nicht sicher. Aber ich will zu den verbleibenden Verschreckten unter dem Kreuz gehören. Zu denen, die Gott seine Freundschaft zu uns Menschen glauben, seine Hingabe in mein Leben, seine Treue, die meine Untreue erträgt und verwandelt. Ich will zu denen gehören, die beim Kreuz stehen, die am Grab warten und die mit dem Auferstandenen ins Leben gehen, damit sie mit ihm die Menschen lieben.


Fra' Georg Lengerke