„Was brauchst du, um jemandem glauben zu können?“, fragt mich die Freundin während ich mit einem befreundeten Ehepaar wandern bin. Wir sprechen über das Evangelium vom Zweifel des Thomas und seine Begegnung mit dem Auferstandenen. Was brauche ich, um glauben zu können? Wir kommen miteinander auf dreierlei:


Erstens einen Menschen, den ich für glaubwürdig halte. Zweitens die Heilung meines Misstrauens. Und drittens eine Botschaft, die für mich so relevant ist, dass mir nicht einfach egal sein kann, ob sie wahr ist oder nicht.


Dann erzählen wir uns von Menschen, denen wir geglaubt haben. Glaube ist Beziehungssache. Geglaubt habe ich immer jemandem etwas.


„Weil du gesehen hast, Thomas, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“, sagt Jesus zum Apostel Thomas. Der hatte den übrigen Aposteln den Bericht über die Begegnung mit dem Auferstandenen acht Tage zuvor nicht geglaubt.


Wenn ich mit Menschen über den religiösen Glauben spreche, sind wir schnell bei der Frage, ob wir das Wissen dem Glauben nicht besser vorziehen sollten, und ob das nicht genüge.


Etwas wissen im engeren Sinne bedeutet, es selbst gesehen, überprüft und erkannt zu haben. Aber das gilt nur von einem Bruchteil von dem, wovon ich sage, dass ich es weiß. Das meiste, was ich weiß, habe ich anderen geglaubt: Erst den Eltern und Geschwistern, dann Freunden und Lehrern, später Wissenschaftlern und Journalisten.


Mein Wissen nährt sich aus einem Beziehungssystem, dass auf der Verpflichtung zur Wahrheit, auf Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit gegründet ist.


Wenn wir uns daran in unserem alltäglichen Tun erinnern, dann stellen wir fest, wie zerstörerisch, ja tödlich für den Einzelnen und jede Gemeinschaft die Lüge ist und das von ihr erzeugte Misstrauen, das wiederum Lügen gebiert. Es gibt relative Erkenntnisse der Wahrheit und Perspektiven auf sie. Wer aber die Wahrheits- und Erkenntnisfähigkeit des Menschen per se leugnet, darf sich über Fake-News und „alternative Fakten“ nicht beklagen.


„Weil du gesehen hast, glaubst du“, sagt Jesus zu Thomas. Auch die Wahrheit und die Bedeutung des Gesehenen müssen wir glauben, wenn wir es wissen wollen. Dass etwas ist und nicht nur scheint, als ob. Dass Du Du bist und kein anderer. Dass Dein Lächeln Glück oder Freundlichkeit und nicht nur Maske ist. Die Notwendigkeit, uns der Wahrheit anzuvertrauen, nimmt uns keiner ab. Wie sehr wir das getan haben, merken wir oft erst, wenn wir enttäuscht werden.


In der Begegnung von Jesus und Thomas geht es nun darum, Unsichtbares und einem Unsichtbaren zu glauben: „Selig, die nicht sehen und doch glauben“, sagt Jesus zu dem zweifelnden Apostel.


Auch im Alltag ist übrigens oft das Entscheidende selbst unsichtbar. Geist, Liebe, Glück können wir nicht selbst, sondern nur in Anderem sehen. Und auch unsere Nächsten sind mehr als das, was wir von ihnen sehen und messen können. Wir müssen also zunächst – über das Sichtbare hinaus – unsere(!) Nächsten glauben, bevor wir unseren(!) Nächsten und an unsere Nächsten glauben können.


Noch ist der Auferstandene sichtbar. Aber bald wird er an dieser einen Stelle der Welt unsichtbar sein, um nach Pfingsten an allen Orten der Welt geglaubt und erkannt, geliebt und in der Liebe versichtbart zu werden.


Wir drei Freunde erzählen einander beim Gehen allerlei Altes und Neues, Ernstes und Spaßiges. Und in allem geht es irgendwie um den Glauben, die Hoffnung und die Liebe. Und wieder einmal staune ich: Der Auferstandene hat sich unseren Beziehungen anvertraut. Es gibt für uns zu ihm keinen Weg an den Anderen vorbei; und es gibt für ihn zu uns keinen Weg an den Anderen vorbei, wenn der Unsichtbare unter uns erkennbar, wahrnehmbar und in seiner Liebe für uns rettend werden soll.


Ich glaube den Freunden die Gegenwart des Auferstandenen unter uns und seine Liebe zu mir, mit der zusammen ich die Menschen lieben darf.


Fra' Georg Lengerke